Parallel-Leben im Katalog

Mit dem ganzen Trara um den Quellekatalog vergisst man leicht das erzieherische sowie das satirische Potenzial der Kataloge. Als Kinder einer allein erziehenden, arbeitenden Mutter durften wir mit unseren Puppen nur am Samstag nach dem Baden spielen, damit sie sich nicht abnutzen. Und meine Mutter macht sich heute noch Vorwürfe, dass wir keinen Puppenwagen hatten wie die anderen Kinder (wer weiß wozu DAS gut war!). Aber - wir hatten den Quellekatalog. Stundenlang waren wir damit beschäftigt, die "Puppen" auszuschneiden und in Heftchen zu kleben, die unsere ersten literarischen Werke wurden. Ich vermute, dass heute nur wenige Kinder sich so sinnvoll, kreativ und billig amüsieren.
Neulich fiel mir ein solcher Katalog in die Hände und ich saß kichernd vor den Bildern von Männern, die in figurbetonten langen Unterhosen und Feinrippleiberln ("in Interlockqualität") markant dreinschauen. Ganz zu schweigen vom metrosexuellen Subtext bei den Männerpaaren, die in peinlichen Pyjamas lässig aneinandergelehnt in die Ferne schauen, oder den Frauen, die selbst in knielangen Schlüpfern und figurformenden Büstenhaltern (das Wort "Büste überlebt auch nur noch im Katalog) noch aufreizend schauen dürfen. Es gibt die Bettwäsche in bügelfreiem Feinbiber, das Hemdblusenkleid (auch in braun!) und den Pullunder.
Bei all dem Geld, was zur Zeit allen möglichen Industrien nachgeworfen ist, würde ich sagen dass der Massekredit für den Quellekatalog gut angelegt ist, um dieses Kulturgut des deutschen Einzelhandels zu schützen.

Comments

  1. Liebe Ilse!
    Wenn ich früher mal eine bunte Zeitschrift "aus dem Westen" oder einen Katalog in die Finger bekamen, machte ich aus den Seiten schöne, bunte Briefumschläge, interessierte mich eher weniger für das, was da abgebildet war, weil ich´s ja eh nicht kaufen konnte.

    Das Fehlen von Puppen konnte ich in meiner Kindheit nicht beklagen. Aber trotzdem waren wir Kinder damals sehr kreativ, ob draußen oder drinnen. Auf dem Boden unseres Hauses richteten wir eine Wetterstation ein, kramten in alten Truhen, verkleideten uns, machten aus alten Perlen neue Ketten und alten Stoffen, neue Puppenkleider. Draußen wurde farbiger Sand mit Wasser gemischt und Eisverkaufen gespielt, oder wir bastelten aus Zeitungspapier ein paar Tüten, füllten Kräuter und Gras rein, und taten so, als stellten wir Fertigsuppen her.
    Ich mußte noch beim Backen, Mauern,Holzhacken und der Heuernte helfen,....was aber eher spielerisch war. Dann problten wir Tänze und machten eine kleine Aufführung draus,...für die Eltern......

    Oh,...na ja,...ist ein wenig am Thema vorbei,.....verzeih....
    Dann wünsche ich Dir einen wunderschönen Sommertag!
    Rosi

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  2. Rosi - das klingt idyllisch! beneidenswerte Kindheit, und auch noch Heuernte, wie schön. LGilse

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  3. ohjajaja
    und es gab den kleber in einem weissen platiktöpfchen mit einem pinselchen und der kleber roch nach marzipan
    wir die generation der quellekatalogausschneiderinnen
    yeah so habe ich meine wunschzettel erstellt...
    lg birgit / ursa53

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  4. Unser Diakon sagte immer: "Gott ist kein Quelle-Katalog". Jetzt, wo mir das einfällt, komme ich ins Grübeln :O)
    Grüße Oona-Jutta

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  5. Ilse, Recht hast du mit dem Quellekatalog! Der war wahrhaft eine unerschöpfliche ... Quelle... und erst die Sache mit dem "Massagestab" für die Dame! ^^

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  6. brüller dieser post. quelle katalog - ein echtes kulturgut. oh ja, definitiv. ich konnte als kind auch nur kucken und nicht bestellen ...

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  7. eure Kommentare sind so süß! Ich freue mich dass ihr diese Erfahrung teilt! Mhm das mit dem Massagestab ist mir entgangen, Kvinna, ist ja sehr post-Oswald Kolle.

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  8. feix. wenn aus dem westen mal der neue neckermann geflattert kam, bzw. exemplare, die hornalt waren (schlaghose, plateauschuhe...) hat mamas jüngste (icke) die jungens und mädels ausgeschnitten, aufgeklebt und zu geld gemacht... das kam ab der fünften richtig gut. und dafür hab ich dann aufm flomarkt mein erstes okuliermesser gekauft. wenn ich das so überlege... giggel

    irka

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