Das grüne Gewissen

 Ganz in meiner Nähe liegt eine Öko-Utopie. Ich gehe sehr gerne dorthin, es ist schön in Herrmannsdorf.
 Man kann im idyllischen Garten seine ethische Leberkässemmel genießen und dazu ein Öko-Bier oder einen Cappuccino trinken. Gestern gab es hier mal wieder das Erntedankfest mit dem Kunstgewerbemarkt, wo man sinnloses Kunsthandwerk für den Garten, Holzspielzeug und schöne handgestrickte Mützen erwerben kann. Nichts ist aus Plastik! Es kommen Eltern aus dem ganzen Umland mit ihren Kindern, die dann im Stroh mit Dreschflegeln umhauen, die Schweine und Hühner auf freier Wildbahn beobachten oder einfach dem Gras beim Wachsen zuhören dürfen.
I live very close to a veritable eco-utopia, created by an entrepreneur who used to produce industrial meat products and saw the error of his way (must have been pretty bad...)
There is a beautiful garden, chickens run free and piglets are rooting in the mud. Parents come from everywhere to give their children this eco-experience - they are allowed to roll in the hay, thresh the corn and generally watch grass grow. Several times a year there are markets where you can buy pointless deco stuff for the garden, wooden toys and gorgeous hand knits. No plastic. I love coming here for a coffee and guilt-free snacks.

Manchmal kaufe ich sogar ein im Hofladen. Das Fleisch, das Brot, der Käse, alles kostet natürlich ein bisschen (oder viel) mehr als woanders, weil alles bio ist. Hin und wieder leiste ich mir das.
Aber die große Masse der Verbraucher leistet sich das eben nicht, oder kann es sich vielleicht nicht leisten? Wer kauft sich drei Bienenwachstücher für 20Euro, wenn man bei Rossmann eine ganze Rolle Alufolie* für einen Euro kriegt? Man muss hin und wieder bei Lidl einkaufen um zu sehen, was die Süddeutsche meint wenn sie schreibt, dass die Vermögensschere in Deutschland immer krasser auseinander geht.
Herrmannsdorf hat eine Menge bewegt in unserem Landkreis, man sieht wieder Kühe auf den Weiden, manche sogar mit Hörnern. Aber diese Öko-Utopie hat auch einen Hauch von Elite. Alles ist teuer. Wer es sich leisten kann, Elektroautos zu fahren und für einen Schweinebraten im Herrmannsdorfer "Wirtshaus" 30 Euro hinzulegen, bekommt seinen Umwelt-Ablass: sie kaufen sich grün, genauso wie die Katholiken vor der Reformation sich von ihren Sünden freikaufen konnten.
Die anderen müssen weiter ihre alten Dreckschleudern fahren, und sie fliegen billig mit Easyjet nach London, anstatt umweltfreundlich mit dem teuren Eurostar zu fahren.
Da liegt noch ein dicker Hund begraben.

 Sometimes I even shop in the farm shop, where bread, meat, cheese is organic and that bit more expensive. I can afford to buy this, occasionally. But the great mass of consumers can't, or have other priorities for their spending. True, why buy three beeswax wraps for 20quid if you can get a roll of tinfoil  in the supermarket for 50p?*

You need to try shopping in a cheap discounter - such as Iceland - to see what they mean by inequality rising in our affluent societies. There is a lot of grassroots stuff happening in climate politics, but there is also a touch of elitism about it. The Guardian asks whether "Extinction Rebellion (has) a race problem", and whether we are doing enough to link the climate crisis and inequality.
People with money can afford their clean environmental footprint, with brand-new electric and hybrid cars, organic food and fancy zero-energy homes. The rest of the country drives diesel or petrol-fuelled bangers, lives in expensively fossil-fuel heated homes and buys cheap food. 
There's a lot of thinking to be done.
Heuarbeit und dann zu den Show-Schweinderln (welches Schweinderl hätten Sie denn gern?) 
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A roll in the hay - and off to the pink porky petting zoo
Der Schöpfer dieses grünen Paradieses, Karl Ludwig Schweisfurth.
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Karl Ludwig Schweisfurth is a German entrepreneur, founder of the Schweisfurth Foundation and pioneer in the ecological production of food.  
Aber dann die Parkplätze!
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Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr mich diese Protzautos ankäsen. Und in Herrmannsdorf einen ganzen Parkplatz voll von denen zu sehen ist eine gruslige Illustration der grünen Ungereimtheiten
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To see a bunch of these stupid show-off petrol guzzlers in the green showpiece that is Herrmannsdorf illustrate the many contradictions within the eco-charade.
 
Sogar die Fahrräder sind kostspielige Modelle
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Even the bikes are fuck-off models
* Alufolie kann übrigens nur recycled werden, wenn die Menge mindestens so groß ist wie ein Tennisball. Also, wenn Alufolie, dann abwaschen und sammeln!
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Interesting fact: tinfoil can only be recycled if the volume is at least the size of a tennis ball. So, if you use it - clean it, collect it and chuck it when you have collected enough.

Comments

  1. Danke für die vielen spannenden Gedankenanstösse. Ja, Bio können sich nicht alle leisten, aber die grossen Prestige-Karossen zum Glück auch nicht. Ach, es ist oft zum Heulen, was alles schief läuft.
    Lieben Abendgruss,
    Brigitte

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    1. Meistens lebt man mit den Widersprüchen... Grüße in die Schweiz!

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    2. Es ist halt auch eine wohlhabende Gegend. Man fällt da dort eher auf, wenn man nicht so viel hat. Die letzten 10 Jahre scheint es eine wahre Explosion an diesen SUVs gegeben zu haben. Gefühlt ist jedes 2. Auto im ländlichen Süden einer. In München etwas weniger. Es parkt sich dort nicht so leicht, wie in der eigenen Doppelgarage.

      Erinnere mich noch gut an die Zeit, als im Bioladen fast nur sogenannte Alternative einkauften. Viele von denen konnten sich das gerade so leisten, konsumierten insgesamt weniger, achteten auf Nachhaltigkeit. Die anderen hatten wohl Berührungsängste. Man wurde durchaus etwas verspottet, wenn man erzählte, dass man im Bioladen einkauft. Das sei doch nur teurer Schwindel. Inzwischen hat sich rumgesprochen, das Bio gesünder ist, vor allem für die Kinder. Verdanken ist diese Aufklärung Leuten wie Herrn Schweisfurth.

      Bio für kleineren Geldbeutel geht nur, wenn man sich beim Fleisch total zurückhält und selbst kocht. Aber ich meine, es geht.

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  2. Die "ethische Leberkässemmel", lol.
    Auch ich kann mir Einkäufe im Bioladen nur gelegentlich leisten. Was ich aber für jeden Verbraucher zumutbar finde ist, anständige Eier zu kaufen. Damit meine ich Demeter, Grosserhof und ähnliche Erzeuger und ja, da kostet ein Ei dann eben 50 cent.
    Ich wohne im Einzugsgebiet Bogenhausen und da haben die Bioläden die Lage mit eingepreist.
    Vor kurzem sah ich mal ein Bund Frühlingszwiebeln für ungelogene € 3,28.Bei den Münchner Mieten und den Leasingraten für den SUV ist das für die Familien keine Option.
    Das Fleisch das ich noch esse, kaufe ich bei einem kleineren Metzger mit nur wenigen Filialen ein, der auf artgerechte Tierhaltung achtet. Gerne verwende ich arme Leute Stücke, da sich daraus ganz wunderbare geschmorte Gerichte kochen lassen. In der Hermannsdorfer Theke werden hingegen hauptsächlich die Kurzbratstücke verkauft, und das zu gesalzenen Preisen.
    Gemüse und Milchprodukte kaufe ich fast ausschließlich beim dem Discounter, der inzwischen sehr viele Bioland Produkte im Angebot hat. Da gibt's auch für sehr kleines Geld die wiederverwend- und waschbaren Beutel.
    Diese Bienenwachstücher zu 20 Öcken finde ich obszön.
    Übrigens fahren hier am Stadtrand mittlerweile hauptsächlich diese Riesenkraxn, mit meinem Smart bin ich inzwischen ein Exot. Jedoch sind sie mir wurscht, habe da keine Emotionen.

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    1. Armeleutestücke beim Metzger! Lustig. Und ohne Emotionen lebt sich's wahrscheinlich etwas ruhiger.

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  3. Toll, jetzt habe ich einen ellenlangen Kommentar zu deinem Beitrag durch "sign out" gelöscht. Ich schrieb sowas wie:
    Dein scharfer Blick (auf den Parkplatz und darüber hinaus) zeigt:
    Wir sind alle etwas schizo, bio auf der einen, Umweltfrevler auf der anderen Seite, im Berufsleben täglich zur ungeliebten Arbeit gehen und dort passiv im Widerstand sein oder darüber privat klagen (aber irgendwo muss die Kohle für den SUV ja herkommen), oder auch: Waffenlieferungen in diverse Länder und Benefizveranstaltungen für kindliche Kriegsopfer und dabei eins direkt mal auf die Fernsehbühne holen, oder: als Vertreter der derzeitigen Bundesregierung die Wind- und Sonnenenergie-industrie ruinieren, um dann in einer nächtlichen Marathonsitzung (warum treffen die unausgeschalfen solche Entscheidungen?) ein halbgares Klimapaket durchzupeitschen.

    Ach menno!
    Petra

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    1. Ganz ohne Emotionen geht es halt einfach nicht, liebe Petra! Und ja, wir leben alle täglich mit Widersprüchen, bis der Ofen mal aus ist.

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  4. Vielen, die sich das leisten können UND es sich leisten geht es nur ums eigene Wohlbefinden (bio schmeckt halt meistens besser und gesünder ist es auch, und genau, man kommt sich auch “besser“ vor). Die Umwelt ist da komplett wurscht, deshalb wird im fetten SUV angereist. Und würden all diejenigen, die sich die teureren Produkte leisten können (geht ja auch um Bekleidung etc.) sie kaufen, wäre eh schon viel getan. Ach, das ist ein weites Feld.... stundenlang könnte ich drüber debattieren. Die Schweine im Wald, die gefallen mir! Liebe Grüße von Bettina

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    1. Das find ich auch - SUV fahren und beim Discounter einkaufen, da ist doch der Wurm drin. Es heißt, die Deutschen geben am meisten Geld für ihre Küchen aus und füllen den SMEG mit Billigfleisch. Hä??

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  5. Stimme den manchmal etwas provokativen Aussagen zu. Muss aber gestehen, dass ich froh bin, dass es in München Filialen von Hermannsdörfer gibt. Froh bin ich auch es mir leisten zu können, auch wenn ich kein Protzauto fahre und sonst auf dem Wochenmarkt einkaufen gehe. Man muss im Kleinen anfangen ökologisch zu wirtschaften, vielleicht wird es dann irgendwann mal auch im Großen besser. Herr Schweisfurth hat sicher dazu beigetragen mit seiner Philosophie.

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    1. Ich hab ja gesagt, er hat im Landkreis einiges verändert. Jetzt muss nur noch die Kundschaft sich ein paar Gedanken machen.

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  6. Mein Einkommen beläuft sich auf dem ALG II Satz und trotzdem kaufe und koche ich bio. Allerdings leisten wir uns kaum anderes und haben das Glück in einer Einkaufskooperative (Mitgliederladen) kaufen zu können, deren Produkte aus regionalen Molkereien, Käsereien und Höfen stammt. Wir beziehen darüber 80 % unserer Lebensmittel, inklusive Putz- und Pflegeprodukte. Die restlichen 20 % kaufe ich bei DM oder Rossmann. Bei LIDL bin ich seit Jahren nicht gewesen. Doch wie gesagt, für Sonstiges ist kein Etat. Kleidung Second Hand, alles wird zu Fuß erledigt und der Wunsch nach einer Hühnersuppe erfordert finanzielle Planung. Ich möchte es nicht anders, auch wenn mir vieles fehlt, zum Beispiel mal in ein Konzert oder ein Restaurant gehen.

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    1. Von armen Leuten kann man nachhaltiges Leben lernen, liebe Karin. Ich wünsche dir einen kleinen lottogewinn!

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  7. Alu Folie... Ach ja, meine Mutter kaufte Massen in den 70er Jahren, damit wir vor einem anstehenden Atombombenabwurf in meinem Wohnort an der damaligen Zonengrenze Schutz haben sollten. Die Vorräte brauche ich noch heute auf.

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    1. Da hast du ja einige Tennisbälle zu recyceln!

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  8. Und... wie der Herr so das Geschehr

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