Kriminaltango

Habe gerade ein bisschen Zeit zum Lesen, und letzte Woche veröffentlichte die "Zeit" einen ausgezeichneten Essay über das Töten, eine intelligente Dekonstruktion von Vorurteilen über "das Böse". Das steckt nämlich in uns allen: wir sind ja biblisch gesehen alle Nachkommen von Kain, nicht vom friedlichen Abel. "Die Flut von Krimiserien im Fernsehen zeugt davon, wie sehr das Töten uns in seinen Bann zieht." Ich muss zugeben, dass ich das Meine zu dieser Flut beitrage, denn vom Krimivirus bin auch ich ganz schön befallen. Ich lese zwar auch Bücher, in denen niemand einen gewaltsamen Tod erleidet (zur Zeit das wunderbar autobiographische "Just Kids" von Patti Smith, und "Der Geschmack von Apfelkernen" von Katharina Hagena). Doch wenn im Fernsehen ein Problemfilm oder ein Tatort zur Auswahl steht, fällt mir die Entscheidung beschämend leicht.
Aber, Freunde, was ist eigentlich los mit dem Tatort? Die Handlungen werden doch immer haarsträubender und gleichzeitig langweiliger.  Im mit Vorfreude erwarteten Münchner Tatort gestern abend entfaltet sich eine wirre Geschichte voller unfassbarem Schmarrn: Eine Domina, die Leute zum Geldsammeln auf die Straße zwingt! Batic ist so eingeschüchtert von ihr dass er sich willenlos von einem Mäderl die Hände zusammenbinden lässt! Die beiden zu eisgrauen, witzelnden Greisen mutierten Kommissare scheinen den Plot verloren zu haben. Aber wer schreibt eigentlich diese Plots, diese eskalierenden Drehbücher? Immer wieder braucht man Taucher, immer die gleichen Fragen, ("Hatte er Feinde?"). Man kabbelt sich und hat Probleme mit der Ehefrau, und als Zuschauer weiß man meist vorher schon, was schiefgehen wird (Hallo, Klara Blum in "Nachtkrapp": bitte lasst den kleinen Jungen da nicht alleine angeln!). Die Staatsanwältinnen sind Sexbomben, die Staatsanwälte hirnverbrannte Erbsenzähler, die Kommissare Einzelkämpfer ohne nennenswertes Privatleben. Ist so der deutsche Beamte?
Die Krönung neulich in Stuttgart: da dringen die beiden Sherriffs in eine Schule ein: ein Schüler läuft weg als er sie sieht und sie verfolgen ihn,  sportlich mit gezogenen Knarren. In einer Schule. Geht. Es. Noch?. Und jetzt kommt auch noch Til Schweiger...Vielleicht werde ich einfach zu alt für den Tatort?

Comments

  1. Die Story vom München-Krimi ist NICHT erfunden, die Frau aus der Drückerkolonie hat es anscheinend wirklich gegeben und sie mordete wohl auch, las ich letztens irgendwo. Aber ansonsten stimme ich dir zu: Die Plots werden immer wilder. Ich schau "Tatort" kaum noch - wahrscheinlich bin ich auch zu alt ... Til Schweiger, schweigen wir dazu!

    ReplyDelete
  2. Ich weiss auch nicht so recht... früher war es mir zu schrecklich und zu stressig, da zog ich die kurzen Varianten vor. Dann hatten wir ein gutes Weilchen keinen Fernseher - das ging auch ganz gut!! und im Anschluss habe ich mich am Sonntag immer mit Gesichtsmaske an die Kiste gehetzt!!
    Seit einem Weilchen finde auch ich alles ein bisschen entzaubert... in letzter Zeit finde ich beim Studium des TV-Programm immer spannendere Unterhaltung... wie du vielleicht bemerkt hast, bin ich bei uns die Programmmanagerin ; )
    Aber heute könnte es bei uns unter Umständen wegen eines Krimis ausserordentlich spät werden... schauen wir einmal, ob ich durchhalte- bin seit 5 Uhr wach und in den Hosen... die Zeitumstellung hat mich aus den Federn getrieben.... unsere Tiere scheinen damit keine Probleme zu haben....
    Chère Ilse lass es dir gut gehn ond heb's guät!
    bbbbb

    ReplyDelete
  3. Da kann ich froh sein, diese Zeit in der warmen Wonnewanne verbracht zu haben....
    Gruß von Sonja

    ReplyDelete
  4. ....ich musste sooo lachen über "waldorf" und"statler" ....äh/öh... oder war das etwa nicht die muppet show?
    gruß ;-)
    c.

    ReplyDelete
  5. Auf auf, laßt uns ein intelligentes Drehbuch schreiben .... das wär doch mal was! Mir geht es inzwischen wie meinem Mütterlein weiland, ich schlaf einfach ein, wenn das Ganze bloß noch Schmarrn ist (und da komme ich auf meine Kosten).
    Ach ja, und die wunderbare Geschichte von den Apfelkernen.

    ReplyDelete
  6. Köstlich, Dein Tatort-Gschichterl! Ich würde vorschlagen, Du reichst bei denen mal eine Story ein und wenn die dann verfilmt wird, dann schau' ich auch wieder einmal einen TATORT an. PS: Aber bitte nicht so gruselig, sonst brauche ich wieder Keller-Begleitung ;)

    ReplyDelete
  7. genau diese gedanken sind mir auch schon gekommen, die stories schlagen immer mehr wirre haken und quetschen zuviele themen in einzelne folgen. bin auf englische fernsehkrimis umgestiegen … inspector linley, inspectorr lewis, inspector barnaby ..

    ReplyDelete
  8. Ich schaue Tatort nur mit dem wunderbaren Axel Milberg und weil der Tatort aus meiner Heiomt Kiel kommt und ich bin immer noch begeistert von den Kommisaren aus Münster. Die Dame mit der herben Stimme und dazu "Alberich". CrisTine ist eine tolle Schauspielerin.

    Was sagt es aus, dass die Gesellschaft immer mehr Freude / Interesse an Gewalt und Frauenverachtung findet?
    Vorallem erschreckend viele Jugendliche. Da könnte eine wohl viel zu schreiben und analysieren. Doch wie hält man den Vormarsch an Gewaltverherrlichung auf?
    Ich rede nicht von einem Tatort, wo ganz "ordentlich" dann irgendwo ´ne Leiche / ein toter Mensch liegt.
    Ich habe gern die Krimis mit Kommisar Beck (aus Schweden) angesehen. Doch die wurden von Folge zu Folge immer brutaler, dass ich leider den Hauptfiguren in ihrer Entwicklung nicht mehr folgen kann. Schade. Aber mein Hirn ist ohnehin schon mit 43 Jahren so voll mit Dingen, die ich liebe nicht gesehen hätte.

    Und trotzdem kann ich von Pahl und Liefers nicht lassen. Ich mag den Humor und die Schauspieler...

    Sich im Kreise ´nen Wolf schreibend
    Oona

    ReplyDelete
  9. Wie mir scheint, habe ich rechtzeitig mit Tatort aufgehört. Der letzte ist schon paar Jahre her.
    Liebe Grüße aufs Land,
    Constanze

    ReplyDelete
  10. Weder gibt es gutes deutsches TV noch deutsche Filme und bis auf eine Handvoll auch keine guten Schauspieler. Diese Münchner Tatortkommissare sind Knallchargen. 2009 habe ich das letzte Mal in eine Folge geguckt und nach wenigen Minuten abgeschalten.Bei den Sendern sitzen doch nur Fernsehbeamte die die Gebühren der Zuschauer verbraten.
    Selber schuld, wer sich hier langweilen läßt.
    Es gab in Deutschland mal ein großes Potential an guten Drehbuchschreibern, Regisseuren und Schauspielern.
    Die Geschichte hat dafür gesorgt, daß diese, da jüdischen Glaubens, alle emigrieren mußten.
    Davon hat sich die hiesige TV-und Filmlandschaft nicht mehr erholt.´
    Ich sehe mir Frau Lund an, die beiden englischen Kommissarinnen oder auch mal "Magnum" als Jesse Stone. Kathy Bates als Anwältin.
    DAS sind gut geschriebene und gespielte Geschichten.
    Aber bitte nicht diesen deutschen Sondermüll. Dafür nutze ich meine Augen nicht ab.

    ReplyDelete
  11. Till Schweiger - schlimmer geht's nimmer!

    Ich boykottiere!

    Aber du hast schon recht - und gut geschrieben!

    Ich erwarte eigentich auch andrre Dinge von den Schreiberlingen und Schauspielern!

    Können die von sich aus nicht sagen, sie spielen so einen Scheiß nicht ?

    Den Nachtkrapp kenne ich auch noch aus meiner Jugend!

    Das Wort an sich finde ich einfach gut!

    LG Luitgard

    ReplyDelete
  12. Einschlafen, verweigern, Gesichtsmaske - eure Alternativen sind sehr kreativ.
    Preißndirndl - echt wahr! ich fass es nicht.
    Barbara - du bist ja auch eine richtige Domina! Teilt aus! Take that! and that! Aber stimmt, die ganze witzige jüdische Intelligenzia schreibt jetzt in Hollywood und für HBO.
    Planet 11 - die Engländer zieh ich mir auch sehr gern rein.

    ReplyDelete
  13. Liebe Ilse, du sagst es.
    Ich freue mich, daß hoffentlich bald Homeland, Anger Management und mit viel Glück vielleicht auch irgendwann The Wire hier zu sehen sein wird.
    Ich bin halt ein verzogenes Balg, das ist der ORF schuld der früher alles was Hollywood so konnte gezeigt hat.
    Sogar Cukor's "Die Frauen" habe ich da gesehen, jede Menge Screwballs, Serien usw.
    Ach ja.

    ReplyDelete
  14. Nachtrag: "Diese kriminalistischen Gesichtsvermieter gehen mir am A*** vorbei."
    Sagte gerade der Franz Xaver Kroetz in einem Interview an diesem Wochenende.
    Der Kroetz ist ein Multitalent das schreiben und spielen kann.
    Dietl wollte ihn für seinen letzten Film haben und Kroetz sagte: "den Scheiß spiel ich nicht, laß es mich umschreiben, ich schreib dir was gscheits".
    Nun, der Film flopte.
    Wie Kroetz noch sagt, steht er auf einigen roten Listen.
    Schade drum.

    ReplyDelete

Post a Comment