Das Heimische am Essen
"Lokalhelden", so betitelte die SZ im Oktober einen Artikel von Tobias Moorstedt, der auf kritische Distanz ging zum wachsenden Verbraucherwunsch, "regional" zu essen. Zitat: "Aus der Region": Der Kauf lokaler Produkte und Dienstleistungen ist zum Hipsterbekenntnis geworden. Doch der neue Provinzialismus macht die Welt nicht besser, sondern engstirniger".
Amüsant abgewatscht wird der Autor von Kathrin Gerloff auf ihrem Oxiblog.
Dass eine neue, provinzielle Ideologie am Entstehen ist, die einhergeht mit erfundenen "Traditionen" (mir vergeht sofort die Lust am Jodeln, wenn ich auch nur noch ein Dirndl und eine Lederhose sehe) und einer engen "mia san mia" Tendenz zum Mauern bauen, bestreite ich nicht. Aber darum geht es hier nicht.
Als Food-Bewegung existiert dieser Provinzialismus wohl nur in der Theorie, sowie in den ideologisch gefärbten Marketingbehauptungen bestimmter Restaurants. Denn nur lokal zu kaufen ist praktisch unmöglich. Da ist der Spaß am Kürbis und den einheimischen Kartoffeln schnell vorbei. Kein Curry mehr, kein Meersalz, kein Pfeffer, kein Ras-el-hanout, äußerst selten nur noch Tomaten, Pfirsiche, Trauben.
Oliven wachsen nicht in Bayern, und wer auf Bananen steht, muss halt den ökologischen Fußabdruck verkraften. Ich persönlich kann gut auf Bananen verzichten und esse lieber die Äpfel vom Baum in meinem Dorf. Aber ich möchte auch meinen Comté, den Skrei aus dem Nordmeer, oder mein Piment d'Espelette; die Flasche Wein darf ruhig aus Sizilien, der Sekt aus Franciacorta oder Monsaraz, und der Senf aus Dijon kommen. Die werden ja schließlich dort auch lokal hergestellt.
Das Privileg, seinen Schweinsbraten vorher beim Namen gekannt zu haben und den Fisch direkt aus den Händen des Fischers zu empfangen, haben nur die wenigsten. Aber es ist besser, die Lebensmittel bei einem Händler zu kaufen, der lokale Hersteller unterstützt, als irgendwelche fragwürdigen "Bio"produkte aus weiter Ferne zu konsumieren.
Vernünftig ist, möglichst viel vor Ort zu kaufen, um lange Transportwege zu vermeiden. Dadurch sind die Lebensmittel frischer und man weiß, wo sie herkommen. Die örtliche Landwirtschaft wird gestärkt und vielleicht sogar motiviert, statt Biogas-Mais wieder mehr essbare Feldfrüchte anzubauen.
Ich habe jedenfalls bemerkt, dass die Nachfrage nach glücklichen Hühnereiern zu inzwischen vier Freilauf-Eierstationen in meiner Region geführt hat. Mehrere Hofläden verkaufen lokale Bioprodukte. Es gibt drei Milchautomaten von benachbarten Bauernhöfen, zwei Naturmühlen, die örtliche Geschäfte mit Biomehl versorgen, zwei Handwerksbäckereien in Radfahrweite, und zwei regionale Kaffeeröster (wobei die Kaffeebohnen, äh, auch nicht im Landkreis Ebersberg wachsen).
Verbraucher haben mehr Macht, als sie ahnen. Aber Ideologien braucht niemand.
eine anmerkung noch von Ingrid Jahn: es geht auch um natur produkte, im gegensatz zu industriell hergestelltem. zwischending sind kleine manufakturen die lebensmittel in hohem qualitätstandart herstellen. auch schön... gut 90% von dem Zeug dass (die Supermärkte) verkaufen, ist einfach nicht essbar, da "frisch" aus dem Chemiebaukasten....
Hier gibt's die Eier von den glücklich scharrenden Hennen
This is where I buy my happy eggs...
Bäcker Daumoser in Grafing verkauft das Mehl von der Bio-Draxmühle
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... and my local bakery sources their flours from a local mill
Locally sourced food is very much in fashion at the moment. But it remains a fantasy unless you live in the country near farms that produce more than just corn for use as bio gas.
And all those hipster restaurants in London: isn't your choice of local food rather limited by geography?
It seems to me that locally sourced food is mainly a fad for privileged people who - at a price - eat in restaurants with a huge, well-kept market garden attached to them, where the forager brings a basket of ceps and some freshly gathered samphire every day. Most of us make compromises, we buy as local as we can and go global when we need to. Where would our food culture be without curry, Greek feta cheese, French mustard, Italian wine, Belgian chocolate, Colombian coffee.... not to mention those popular luxury staples, the truffle?
It's good to be aware, to buy fresh food that didn't travel insane distances and to shop for local meat rather than travel-tortured animals. But then again - who hasn't eaten New Zealand lambs and "Danish" bacon?
On the upside, more and more farmers' markets make local direct supply possible for city dwellers. If you live in the country, like lucky old me, chances are you have a farm that sells fresh eggs and milk, and keep cattle whose meat you can buy in your local butchers.
You speak like a really sensible woman, Ilse. I agree completely with what you say about buying local and seasonal food. It is not always possible to do so, or it is too expensive!
ReplyDeleteExactly, and that's why we shouldn't make a dogma of it. Every small step is good.
DeleteNahe von Wien gibts ein nettes Gasthaus, dessen Besitzer mit "Radius 66" wirbt, er versucht, von Lebensmitteln bis zur Gasthausmöblierung so viel wie möglich aus einem Umkreis von 66 km zu beziehen. Zu einem großen Teil gehts, man muss nur wollen (und als Private/r auch Zeit haben zB. fürs Konservieren von Sommerprodukten)
ReplyDeleteEben, viele Leute haben die Zeit nicht, und es kostet ja auch ein bisschen mehr. Daher "convenience" food!
DeleteSehr vernünftig, ich sehe das ähnlich. Die guten Sachen aus der Region werden von mir gefeiert, aber ich bin auch dankbar für viele Dinge, die von weit her kommen. Und dann freue ich mich auch, bei den vielen Foodbloggern, die das ebenfalls so sehen, von den schönen Produkten in ihren Heimatregionen zu lesen.
ReplyDeleteEs ist immer wunderbar, etwas vor Ort Entstandenes zu entdecken, was mit Sorgfalt gemacht wurde. Gerade habe ich wunderbares grünes Olivenöl aus der Toskana geschenkt bekommen, dessen Entstehung ich auf dem Blog meiner Freundin beobachten konnte.
Deletestimme dir komplett in allen punkten zu. eine anmerkung noch: es geht auch um natur produkte, im gegensatz zu industriell hergestelltem. zwischending sind kleine manufakturen die lebensmittel in hohem qualitätstandart herstellen. auch schön. was ich eigentlich sagen will: war gestern im neu eröffneten REWE Markt nebenan - und gut 90% von dem Zeug dass sie da verkaufen ist einfach nicht essbar, da "frisch" aus dem Chemiebaukasten....
ReplyDeleteJaaaa, möchte man zu Frau Gerloff sagen, Lokal Heros sind Lokalhelden, das ist die korrekte Übersetzung. Und was soll uns der Artikel ansonsten vermitteln? In der Ostzone war alles besser? Alles lokal und wenn es aus war, war es eben aus? Als Vorbild für die ganze Welt? Fragen über Fragen. Aber zumindest zum schmunzeln, da gebe ich dir recht.
ReplyDeleteFanatismus und schlechtes Wirtschaften, nein danke!
DeleteKann ich dir in allem nur zustimmen, liebe Ilse!
ReplyDeleteHG
Birgit
Und du weißt, worum es geht - bist ja vom Fach.
DeleteGerne kaufe ich regional, aber nicht nur. Während der letzten Heimfahrt von Taglaching habe ich den Milchautomaten gesehen, leider kein Behältnis dabei. Und Eier und Brot... im Frühling fahre ich dann mal auf Einkaufstour. Für mich sind auch die Nüsse aus Grenoble, die in Grafing verkauft werden, regional. Auf die mag ich im Winter nicht verzichten.
ReplyDeleteIn meiner Kindheit gab es im Winter viel Wurzelgemüse, Kraut und Kartoffeln sowie Eingewecktes. Das Essen war von ziemlicher Eintönigkeit. Ich genieße die Vielfalt und auf Curries, Olivenöl und so viele andere Köstlichkeiten verzichte ich nicht.
In der Vielfalt liegt der Zauber - vernünftig genossen. Nüsse und Käse wieder am 3.Advent!
DeleteDer Post gefällt mir, Ilse.
ReplyDeleteViele Grüße
Oona
Freut mich, Oona. Ist ja auch so deine Richtung, oder?
DeleteWas Tobias Moorstedt über Hipster und Provinzialismus schreibt kann ich nachvollziehen, denn ich arbeite in einem Bioladen in Berlin und bin von veganen Hipster umgeben, die mir mit ihrem regionalen Gerede auf die Nerven gehen,weil sie gleichzeitig das neueste i Phone am Ohr haben..
ReplyDeleteIch Stimme dir ansonsten komplett zu !
Ja!! die Schizophrenie von Solardings auf dem Dach und tausend Geräten daheim die mit Strom gefüttert werden sollen! iPhone, SMEG Kühlschrankmoster, Laptop, Tablet, KitchenAid... ich grins mir eins...
DeleteAbsolute Zustimmung auch von mir. Man muss auch noch dazu sagen, dass der oekologische Fussabdruck von lokal gekauften Lebensmittel durchaus betraechtlich sein kann, wenn man dazu extra den Weg zum Milchautomaten antritt (natuerlich im Auto, wer eine Familie mit Kindern hat, muss entweder einen Fahrradanhaenger und VIEL Zeit haben oder eben Auto fahren) UND dann auch noch zum Supermarkt faehrt, um den 'normalen' Kram zu kaufen, den es eben nicht lokal gibt. Wenn man dann noch die Milch extra abkochen muss, die aus dem Milchautomaten kommt, wird's langsam fragwuerdig. Ich mache es trotzdem so oft es geht, weil ich den Milchbauern unterstuetzen will.
ReplyDeleteDass diese Dinge dann oft mit ideologischem Beiwerk daherkommen (Mia sein mia), ist kaum zu vermeiden (die Gabe der differenzierten Betrachtung haben nicht sehr viele und ich nehme mich da nicht aus) und ich glaube, man sollte es so gut es geht ignorieren.
Gruesse!
Schöne Betrachtung (ja, ich fahre immer mit dem Rad zum Milchautomaten etc. obwohl's die Erde auch nicht retten wird!). Und schöne Grüße von wem???
DeleteToll!
ReplyDeleteVerteile heute gerade das Lammfleisch unserer Lämmer.... und ich esse es auch selbst.... esse sozusagen nur noch eigenes Fleisch. Es muss ja nicht täglich und viel sein, aber so weiss ich wie die Tiere gelebt haben und wo sie geendet sind.. Mit dem " Jö und du kannst das" habe ich zunehmend mehr Mühe....
Aber an Tagen an denen wir Hackfleisch und Paté machen, wie heute, habe ich echt keine Fleischeslust!
Meine Hühner haben gerade Legeferien.... Hoffe, dass sie spätestens ab dem Klausentag wieder etwas spendabler sind.
Heb's fein
Brigitte
Es ist halt ehrlicher so. Meine Lieblingsnachbarhühner hier sind auch gerade sparsam!
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