Kerzen, Kugerl, kein Lametta: Christmas Special
Als Kind war Weihnachten einfach wunderbar, voller magischer Rituale. Vor der Bescherung besuchten wir das Kripperl in der Marktkirche, für ein Zehnerl kam das Jesuskind aus der Kirchentür. Inzwischen kostet es halt 10 Cent, aber das Kripperl ist unverändert bezaubernd. Daheim, während wir
warteten, bis das Christkind uns mit dem Glöckchen ins Weihnachtszimmer einlud, spielten wir mit unseren porzellanköpfigen Puppen, Rosi und
Irmi (die Luisa vor meiner prosaischen Gleichgültigkeit gerettet hat; die beiden leben jetzt in Portugal). Dann - klingeling, Kerzen am
Christbaum brannten, Oma saß in ihrem Sessel (hätten wir ihn doch nur
behalten! der wäre jetzt, Mid-century vintage, an Haufen Geld wert) und
wartete geduldig auf die alljährlich Gabe von Kölnisch Wasser. Ich hab
sie bedauert, weil ich als Kind natürlich nicht wusste, was ich jetzt
weiß - dass ihr in ihrem Alter Geschenke wirklich wurscht waren, und sie
sich an unseren strahlenden Kinderaugen erfreute; übrigens eine
willkommene Abwechslung zum Rest des Jahres, wo wir sie mit unserer
schrecklichen Lebhaftigkeit triezten. Die Geschenke: eine Garnitur Unterwäsche. Juhu. Ein Skipullover. Puppenkleider.
Ich habe irgendwo gelesen, dass
wir die Generation Kinder waren, die den Eltern zu Weihnachten noch
selbst gebastelte Aschenbecher schenkte. Ach ja. Ganz früher rauchten
sie noch: Oma die Marke Lord, Mutti Dames. Dames!?! Tante Fränzi hielt
übrigens die Firma Mokri am Produzieren mit ihren drei Schachteln pro
Tag. Aber das wäre eine andere Geschichte.
Der Gedanke, dass es Menschen gab die am Heiligen Abend arbeiten
mussten, hielt mich nachts wach vor lauter Mitleid. In Krankenhäusern,
bei der Bahn ... heute weiß ich, dass das ein herrliches Entkommen von
der Familienweihnacht sein kann, und dazu bringt es auch noch willkommene Zulagen.
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When I was a child, Christmas was magical. The little bell rung by the Christ Child, aka. our Mum, that invited us in to the candle-lit living room. Then the christmas carols that had to be sung before the paper was torn off the presents.
I felt so desperately sorry for those poor people who had to work over Christmas, on the trains, in hospitals, imagining how desperately unhappy they must have been. Over the years, Christmas became X-mas and lost some of its magic. Nowadays, I would volunteer quite happily to work the X-mas shift and enjoy the double time pay!
Später in London liebte ich, wie völlig hemmungslos Weihnachten gefeiert wird,
weniger feierlich und mehr Gaudi. Gern ging ich durch die Straßen
meines Viertels und schaute in die Wohnzimmer, wo schon Anfang Dezember
die grandios bunt behängten Weihnachtsbäume standen. Die ganze Stadt
festlich beleuchtet, was natürlich den Januar um so düsterer scheinen
ließ. Am Morgen des 25. Dezember ging es los mit Bergen von Geschenken,
gefolgt vom stundenlangen Essen zu dem alle FreundInnen beitrugen, dazu die
fröhlichen englischen Weihnachtslieder: "Deck the halls with boughs of
holly, falalala... it's the season to be jolly"! Zahllose Flaschen Sekt -
der angesagte Sekt änderte sich von Jahr zu Jahr. 90er-Jahre war es
Cava, dann Prosecco, gefolgt von Crémant und hin und wieder auch
Champagner. Hemmungslos eben. Danach wurde gespielt, meistens Charades.
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Christmas dinners we had in London can easily turn into a party
I loved the lightness and abandon with which Christmas was celebrated in England, the crackers, the paper crowns, the silly hats, the Christmas cards on the mantelpiece. None of that lump-in-the-throat solemnity of our German Christmas carols. Less elegance, more style.
Dagegen bei uns daheim die Stille Nacht, bei der man immer einen Kloß im Hals kriegt. Alle Jahre wieder kommt das Christuskind, nicht der lustige Father Christmas, der die Socken ausstopft.
Dazu wird's in Deutschland inzwischen gleichzeitig unangenehm kommerziell und auf eine amerikanische Art laut. Wie Karl Valentin schon sagte - "wenn die stade Zeit vorbei ist, wird's wieder ruhiger".
Seit unsere Mum fast die Bude abgefackelt hätte mit den Weihnachtskerzen, sind auch bei uns Lichterketten angesagt
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Ever since our Mum almost burned down her place with the real candles on the tree, fairy lights have become acceptable
Der Mangel an Schnee zu Weihnachten trübt die heilige Stimmung
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in England we didn't seriously expect a white Christmas
Und notfalls kann Weihnachten auch im Pub sehr lustig sein
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If there's no family dinner, Christmas in the pub can be fun, too.
Wie schön wieder, das Buch wächst 😉 Auch ich habe meine Oma ob ihrer Geschenke (Fusswärmer, Unterwäsche, Kleiderschürze) bedauert. Sie packte sie in ihren späten Jahren (sie starb im 91. Jahr) nicht einmal mehr aus, sondern verstaute sie am Kasten. Nach ihrem Tod gingen die Packerln an die Schenker retour - nicht nur zur Freude.
ReplyDeleteTrotzdem wünsch ich Lichterglanz, kleinen köstlichen Kekstod und ein bisserl Puppenspielfreude! Silvia
schon sehr lustig, die armen Schenkenden. Recht gschieht ihnen!
DeleteDeshalb nur noch Geschenkfreie Weihnachten!
DeleteWas für ein schöner Weihnachts-Rückblick! 🎄 Ich liebe einfach deine Art zu erzählen 🥰Jaaa und England......das schaut wirklich nach einer lustigen & glücklichen Weihnachts-Zeit aus - toll 🥳 Dann wünsch' ich dir jetzt einfach ein paar Weihnachtsfeiertage mit einer Prise England, liebe Ilse 🥂🍾✨Cheers 🥳
ReplyDeleteFür eine Prise reicht es schon!
DeleteHach, das ist ein einziger Schmaus: deine Erlebnisse in zwei Welten, deine Fotos, deine Ausdrucksweise!!!
ReplyDeleteBegeisterte Grüsse in Richtung Weihnachtsfest, Brigitte
Herzliche Grüße zurück an dich!
DeleteWie schön zu lesen, danke!
ReplyDeleteAch ja, die Zeiten haben sich geändert... Und wie spannend, dass hier regional unterschiedlich und in anderen Ländern nochmal ganz anders gefeiert oder weniger gefeiert wird.
Je mehr desto weniger…
Deletewunderbarer bericht aus einer anderen zeit. auch ich bastelte aschenbecher für meine eltern und oma bekam eine kittelschürze. und an weihnachten kochte vater stundenlang, er blockierte die küche und verschmutzte alle töpfe, aber das essen am 1. feiertag war sehr gut. leider brauchte er am 24. beim kochen auch wein, bis zum kirchgang(tradition in einer nicht frommen familie) war er häufig angetrunken. dann standen wir in der überfüllten kirche ganz hinten und ich dachte als teenager immer, er schläft gleich im stehen ein. das gab es bis vor 60 jahren..., dir ein paar spannende und fröhliche rauhnächte, lieben gruß, roswitha
ReplyDeleteAuch eine fröhliche Weihnachtsgeschichte!
DeleteWas für ein cooler toller Weihnachtsritt klasse! Na dann auf ein Neues und eine dufte Zeit für Euch herzlich Ute
ReplyDeleteWeihnachten in seiner ganzen Pracht und Deiner Erzählprächtigkeit, liebe Ilse.
ReplyDeleteIch bin ja immer ganz begeistert von den Weihnachtskronen, die in England getragen werden, mit den unterschiedlichen Schaumweinen – vor allem aus so derart bezaubernden Gläsern – könnte ich mich auch sehr gut anfreunden …
Schöne Vorweihnachtszeit weiterhin, wünscht Dir
Petra
Ja, die Cracker und die Kronen tragen zur allgemeinen silliness bei.
DeleteEine Weihnachtsparty wie in England will ich auch haben :-))
ReplyDeleteIch auch!
DeleteIch wie jedes Jahr "Oh Palmenbaum" und "Single Bells" im wahrsten Sinne des Wortes! Fröhlichste Vorweihnachtsgrüße aus der Ferne und nehmt reichlich Cava zum Fest, Bettina
ReplyDeleteDieses Jahr wird es Invisivel aus Portugal! A schöne Zeit im Lavaland!
DeleteMacht es euch gemütlich! Liebe Grüße Jutta
ReplyDeleteWir hatten im letzten Jahrtausend bei uns Ragout fin in Pasteten und Rapunzelsalat aus dem eigenem Garten. Dann jedes Jahr unterm Weihnachsbaum, natürlich -mit echten Wachskerzen- die Lachnummer: das Paket von der Patentante aus USA: Zimtstangen und Tee, der nach Zigarettenasche schmeckt und eine neue Barbypuppe. (wir haben uns köstlich amüsiert) . Ein Glas Sekt dazu. Ich bin so dankbar dies Jahrzehnte lang erlebt zu haben. Den Christbaumschmuck habe ich noch (auch aus dem letzten Jahrhundert).
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